Robot confused by a globe

Kann KI übersetzen?

Da die künstliche Intelligenz, die den KI-Boom 2022 losgetreten hat, im Grunde nicht mehr als ein Chatbot ist, denken plötzlich alle dass GenAI alles kann, das irgendwie mit Text zu tun hat. Aber stimmt das? Wie sieht’s zum Beispiel mit KI und Übersetzung aus?

Bei der Beantwortung der Frage, ob KI übersetzen kann, dürfen wir eins nicht vergessen: KI ist nicht intelligent. Was wir heute als Künstliche Intelligenz bezeichnen ist nicht mehr als ein Large Language Model (LLM) mit gutem Marketing – und das basiert nicht auf irgendeiner Art von Verständnis oder Logik sondern berechnet lediglich, was am wahrscheinlichsten als nächstes kommt.

Auf die Details gehe ich hier nicht mehr ein, aber wenn dich die Hintergründe interessieren, kannst du in diesem Blogbeitrag nachlesen, was KI wirklich ist. Ich will nur noch einmal wiederholen: KI ist nicht intelligent. Stell sie dir mehr wie ein richtig nices Autocomplete vor – denn denken kann sie nicht. Sie versteht nicht, was du sagst. Alles was sie tut ist Wahrscheinlichkeiten berechnen und dann auszuspucken, was laut den Zahlen am wahrscheinlichsten als nächstes kommt.

Wenn du mir nicht glaubst, hier ein einfaches Beispiel: Frag deine Lieblings-KI mal, wie oft ein bestimmter Buchstabe in einem Wort vorkommt. Spoiler Alert: die KI hat keine Ahnung. Die Antwort ist zwar manchmal richtig (glücklicher Zufall? Die meisten Modelle sind sich einig, dass fast jedes Wort einen bestimmten Buchstaben zwei Mal enthält … 🤔) aber meistens ist sie falsch.

  • Nein, Claude, das Wort Erdbeere enthält nicht 3 es (auch wenn du mir genau erklärst, wo diese anscheinend sind).
  • Und nein, Gemini, der Buchstabe r kommt in Rauris nicht 3 Mal vor.
  • Der erste Draft für diesen Artikel wurde Ende 2024 geschrieben, und enthielt hier noch ein Beispiel von ChatGPT – das hat aber Ende 2024 offenbar gelernt, Buchstaben zu zählen. Good for you. 😅
Screenshot of an AI-generated image of a strawberry created with the prompt "show me an AI saying the word strawberry".
Dieses Bild zeigt tatsächlich sehr klar, womit KI so große Probleme hat. Ich dachte, FlatAI würde mir einen Roboter/PC mit einer Sprechblase zeigen, aber offenbar hatte die KI keine Ahnung, was ich von ihr wollte, und hat sich daher auf das eine Wort konzentriert, das sie visualisieren konnte: Erdbeere.

Mit dem Wissen, dass KI lediglich auf Statistik und Wahrscheinlichkeit basiert, sehen wir uns nun die Frage dieses Artikels an: Kann KI übersetzen? Die kurze Antwort ist ja. Theoretisch kann generative KI übersetzen, und ähnlich wie bei bestimmten maschinellen Übersetzungstool (MT) vor dem KI-Zeitalter klappt das gar nicht mal so schlecht.

Aber lass dich nicht täusche: Das bedeutet noch lange nicht, dass es gut ist.

KI und Übersetzung

Übersetzung ist tatsächlich ein ziemlich komplexer Prozess, der jede Menge Komponenten umfasst und das menschliche Gehirn ziemlich fordert: Du musst nicht nur zwei Sprachen sehr gut können, sondern auch deren Kulturen verstehen. Basierend auf deinem Weltwissen, triffst du Tausende kleine Mikroentscheidungen, um eine Aussage aus einer Kultur in eine andere zu übertragen.

Doch davon ganz abgesehen musst du auch richtig gut Texte schreiben können, damit die Übersetzungen ihr Ziel auch erreichen – das bedeutet zum Beispiel auch, dass die genau wissen musst, wie du etwas sagen musst, damit es beim Zielpublikum gut ankommt (das ist im Übrigen meistens sehr viel kleiner als „Menschen, die Sprache X sprechen“ 😉).

Kurz gesagt brauchst du also:

  • jede Menge Know-how über zwei Kulturen, zwei Sprachen, gängige Textarten und spezifische Zielkundschaften
  • ganz viel Kreativität, damit du mit unübersetzbaren Wörtern, Zeichenlimits und anderen Herausforderungen umgehen kannst
  • großartige Skills, wenn es ums Recherchieren von Themen und darüber schreiben geht (was sehr viel schwieriger geworden ist, seit Google KI auf seine Suchfunktion geklatscht hat – danke für nichts)

Und wenn wir diese Fakten jetzt mit dem kombinieren, was wir gerade über die „Intelligenz“ von KI gesagt habe, wird eins klar: KI kann nicht übersetzen. Zumindest nicht wirklich.

Das bedeutet aber nicht, dass wir KI nicht für bestimmte Übersetzungsaufgaben verwenden können – sie ist zum Beispiel super, wenn du dir nur einen Überblick über etwas verschaffen willst. Außerdem habe ich von einigen juristischen Übersetzer:innen gehört, dass ein bestimmtes KI-Modell ziemlich gut im Übersetzen von Verträgen ist. Viele Kanzleien nutzen dieses daher, um Verträge übersetzen zu lassen, da in diesem Fall sowieso immer ein:e Jurist:in den Output überprüfen muss – unabhängig davon, ob der von eineme Menschen oder einer Maschine kommt. Macht also total Sinn.

Diese Ausnahme bringt mich aber zu einem weiteren wichtigen Punkt im Zusammenhang mit KI und Übersetzung: Die finanziellen Einsparungen sind sehr viel geringer, als du vielleicht denkst! Denn wenn du einen KI-übersetzten Text für mehr als interne Zwecke verwenden willst, musst du ihn auf jeden Fall von einem Profi korrekturlesen lassen.

KI-Übersetzungen brauchen menschliche Unterstützung und Kontrolle

Dieser spezialisierte Service heißt bei der Übersetzung PEMT/MTPE (Post-Editing Machine Translation/Machine Translation Post-Editing) und ist ein Schritt, den du niemals überspringen darfst, wenn die Texte offiziell und öffentlich verwendet werden.

Den meisten Leuten ist gar nicht klar, dass PEMT tatsächlich sehr viel Zeit und Brainpower kostet. Das liegt vor allem daran, dass die Grenzen verschwimmen, wenn du so viel „gut genug“ liest – und irgendwann fallen die echten Fehler nicht mehr auf.

Viele professionelle Sprachdienstleister:innen (wie auch ich) bieten diesen Service gerne an, allerdings nur mit einem Bezahlmodell, das auch Sinn macht: Stundenpreisen! Und zwar, weil es nunmal so lange dauert, wie es dauert, 1.000 Wörter korrekturzulesen. Diese Zeit steigt, wenn die Qualität sinkt. Und mit PEMT, musst du dir nochmal mehr Zeit lassen, wenn die Qualität am Ende gut sein soll (und nicht nur „gut genug“).

Wir Profis kämpfen hier gerade einen Kampf, der schon verloren scheint: Große Übersetzungsagenturen überzeugen Endkund:innen davon, dass KI-gestützte maschinelle Übersetzung super toll und super billig ist – und keine Angst, ein Profi übernimmt natürlich das Korrekturlesen. Was sie nicht sagen ist, dass sie diesen „geschätzten Profis“ 1–2 Cent pro Wort bezahlen (das entspricht ca. 10 € für 1.000 Wörter, was mindestens 1 Stunde dauert – ich lass dich das mal selbst durchrechnen). Ich verspreche dir, dass kein Profi, der:die sein Geld wert ist, für derartige Hungerlöhne arbeitet.

Und damit das ganze hier keine rein theoretische Abhandlung bleibt (könnte ich ja sonst was behaupten hier 😅), sehen wir uns mal ein paar Beispiele an, die die Probleme von GenAI-gestützter Übersetzung deutlich machen.

Probleme bei KI-gestützter Übersetzung

Eine Sache, die KI besonders schwierig findet, sind Nuancen und Stimmungen. Ein bestimmtes Gefühl in einer Übersetzung zu rekreieren ist ziemlich schwierig und braucht eine sorgfältig aufeinander abgestimmte Kombination aus Wortwahl, Satzstruktur und Rhythmus. Und das alles ist viel weniger greifbar als das reine Ersetzen eines Worts mit seinem Äquivalent in einer anderen Sprache.

Besonders deutlich werden diese Probleme bei Marketinginhalten, die Gefühle hervorrufen und eine Verbindung zur Kundschaft aufbauen sollen.

Ich zeig euch das mal anhand eines Beispiels. Ich habe Claude gebeten, eine Sektion der Copywriting-Seite meiner Website zu übersetzen – und daneben seht ihr die vom Profi erstellte Übersetzung, die tatsächlich auf meiner Website ist:

AusgangstextClaudes deutsche Übersetzungdeutsche Übersetzung vom Profi
I want to help your company succeed through truly excellent marketing content with the right balance of wit, emotions and word confetti.Ich möchte Ihrem Unternehmen zum Erfolg verhelfen durch (1) wirklich hervorragende Marketinginhalte mit der richtigen Balance (2) aus Witz, Emotionen (2) und Wortglitzer (3).Ich möchte, dass dein Unternehmen auffällt – und zwar durch richtig gute Marketing-Texte mit Witz, Gefühl und Sprachkonfetti.
When your customers read about your latest ice cream flavours in your newsletter, their mouths should water.Wenn Ihre Kunden in Ihrem Newsletter von Ihren neuesten Eissorten lesen, sollten ihnen die Mundwinkel vor Verlangen nach unten laufen (4).Damit deinen Kund:innen der Geschmack des Sommers plötzlich wieder auf der Zunge tanzt, wenn sie den Newsletter zu deinen neuen Eissorten lesen.
  1. Unnatürliche Formulierung: Der erste Satz dieser Übersetzung klingt auf Deutsch komisch, weil die englische Satzstruktur verwendet wurde.
  2. Falsche Freunde/Fehlübersetzung: Im zweiten Satzteil wurden die Worte „balance“ und „emotion“ wortwörtlich übersetzt, obwohl „Kombination“ und das Synonym „Gefühl“ in diesem Kontext viel stimmiger wären.
  3. Fehlübersetzung: Das letzte Wort dieses Satzes, nämlich „Sprachkonfetti“ existiert hingegen nicht – in diesem Fall wäre ein wörtliche Übersetzung besser gewesen, um die Absichten des Originals zu wahren. Stattdessen wurde „Wortglitzer“ verwendet, was irgendwie gleich nach kleinem Mädchen und Einhörnern klingt – eine Konnotation, die im Original bewusst fehlt.
  4. Fehlübersetzung und Grammatikfehler: Im vierten Beispiel lässt Claude die Mundwinkel nach unten laufen, was mal so gar nicht geht. Hier die drei Probleme: Das ist keine gängige Wortverbindung im Deutschen. Das Bild eines schmelzenden Gesichts, das dadurch entsteht, ist mehr als gruslig. Das Wort „Verlangen“ hat im Deutschen zwei Konnotationen, die in diesem Kontext beide nicht klappen – weder ist der Text sexuell, noch hat er was mit der archaischen Sprache von beispielsweise Fantasyliteratur zu tun.

Und bevor du fragst: Während Gemini und ChatGPT besser bei #1 waren, hatten sie bei #2 und #3 die gleichen Probleme. Bei #4 haben beide die richtige Wortverbindung von Wasser im Mund zusammenlaufen gewählt, dafür aber einen Grammatikfehler eingebaut. Spannend war jedoch, dass keine der drei KIs eine wörtliche Übersetzung für „word confetti“ angeboten haben (bei ChatGPT war’s „Wortakrobatik“ und bei Gemini „Wort-Feuerwerk“).

Dass die drei GenAI-Tools so ähnliche Übersetzungen produziert haben, bringt mich nun zu einem weitere Problem, das ich persönlich ganz schlimm finde: Maschinelle Übersetzung, auch wenn sie duch GenAI gestützt wird, klingt immer irgendwie gleich. Der Tone of Voice, den ich in meine englischen Ausgangstexten angewandt habe, wurde überhaupt nicht rekreiert und die Wortwahl war in allen drei Modellen quasi gleich. All die Persönlichkeit, die ich in meine Website-Texte einfließen hab lassen, wurde einfach entfernt.

Und ja, ich weiß, dass du der KI sagen kannst, dass sie einen bestimmten Stil verwenden und die Leser:innen auf eine bestimmte Art ansprechen soll und so weiter. Aber die meisten Leute tun das leider nicht, sodass am Ende alles gleich klingt. Sprachliche Vielfalt ist etwas Wundervolles – und KI killt sie.

AI-generated image using flowers and plants to show how variety turns to conformity.
Ich war tatsächlich überrascht darüber, wie gut FlatAI meine Idee visualisiert hat, wie Vielfalt zu Einheitlichkeit wird. Vielleicht, weil der Bildgenerator hier nichts Reales darstellen musste?

Und auch wenn du menschliche Übersetzer:innen in den Prozess einbeziehst und die KI-generierten Übersetzungen von einem Profi korrekturlesen lässt, bleibt diese Regression zur Mitte bis zu einem gewissen Maß erhalten. Das liegt daran, dass durch das Lesen einer bestimmten Übersetzung (egal ob diese von einem Menschen oder einer Maschine stammt) das Gehirn automatisch in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Es ist dann zwar immer noch möglich, dass dir eine völlig neue Übersetzung einfällt – aber es ist wirklich, wirklich schwierig.

Ich persönlich hab überhaupt nicht gegen KI-gestützte, maschinelle Übersetzung. Wenn sie da eingesetzt wird, wo es Sinn macht. Es muss in jedem einzelnen Fall genau überlegt werden, ob es reicht, wenn eine Übersetzung nur okay ist, oder ob sie wirklich, wirklich gut sein muss.

Und falls du dir diesbezüglich bei einem bestimmten Text unsicher bist, frag doch einfach einen Profi! Wir helfen dir sehr gerne dabei, das herauszufinden. 😉

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